
23. Oktober 2021 | „Gondel“ steht für drei Dinge: Für die Kabine eines Heißluftballons oder Luftschiffs, für eine bestimmte amerikanische Eisenbahnwaggonart für Lastentransporte und für die elegante und geheimnisvolle venezianische Gondel. Eine der letzten Werften Venedigs, die diese Gondeln noch herstellen, ist die „Squero di San Trovaso“ im Sestiere Dorsoduro bei San Trovaso.
Denkmalgeschützter Gondelbau
Squero ist das venezianische Wort für die Werft, in der etwas Einzigartiges für Venedig und seine Lagune geschaffen wird – die venezianische Gondel. In der „Squero San Trovaso“ werden seit dem 19. Jahrhundert Gondeln, Pupparinis, Sandolis (das sind kleinere, einfachere Ausführungen der venezianischen Gondel) und andere traditionelle venezianische Schiffe herstellt und repariert. Diese Werft ist heute meines Wissens eine der letzten Gondel-Werften in Venedig, zumindest die letzte größere (eindeutig konnte ich die Sachlage noch nicht klären) und steht unter Denkmalschutz.
Über Ettore Nardo, einen Gondel-Bauer
In den 1990er-Jahren war Ettore Nardo Gondelbauer in der „Squero San Trovaso“, damals einer der letzten fünf in Venedig. Er erzählte, dass die Gondeln alle drei Wochen zum Service müssen, abgedichtet werden. Und nach 22 Jahren haben sie ihre Lebensdauer erreicht. Vor allem das „giftige Wasser“, wie Nardo sagte, setzen den Gondeln zu. Um 1500 sollen auf Venedigs Kanälen 15 000 Gondeln, Pupparinis und Sandolis unterwegs gewesen sein. Heute sind es weniger als 500.

Bildquelle ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / Fel_032047-RE / Public Domain Mark
Ettore Nardo begann im Alter von neun Jahren den Beruf des Gondelbauers zu erlernen. Kein einfaches Handwerk, besteht doch eine Gondel immerhin aus sieben verschiedenen Hölzern, kann durch ihre asymetrische Form mittels der speziellen Fórcola (die hölzerne Rudergabel der Gondeln) nur von einem „Gondoliere“ gerudert werden und muss einen „ferro“ haben. Dazu später. Nardo war jedenfalls 20 Jahre (!) in der Lehre, bevor er sich als „squerolo“ bezeichnen und selbst Gondeln bauen durfte. Ohne große Sorge sah er, dass sein Sohn das Handwerk erst mit 18 zu erlernen begann und es, seinen Worten nach, „wohl nie mehr lernen wird“.

Über die venezianische Gondel
Die „Squero San Trovaso“ erzeugte in den 1990er-Jahren zwei Gondeln pro Jahr. Ein solches Meisterstück kostete schon damals 500.000,– österreichische Schilling (rund 36.000 Euro ohne Indexsteigerung). Die 10,85 Meter lange und 1,5 Meter breite Gondel – alle Gondeln haben dieselben Maße – muss vor Fertigstellung genau den Maßen und dem Körpergewicht des zukünftigen „Gondoliere“, dem Ruderer der Gondel, angepasst werden. Dies wird in eigenen Arbeitsvorgängen im halbfertigen Stadium vorgenommen. Also nach rund 200 der insgesamt 400 notwendigen Arbeitsstunden. Traditionell werden neben Eiche die Hölzer von Kirsche, Linde, Mahagoni, Lärche, Nuss und Tanne verarbeitet.
Wenn man eine imaginäre Linie längs der Bootsmitte zieht, erkennt man, dass eine Hälfte größer als die andere ist. Das Boot neigt sich so nach einer Seite, um das Gewicht des Gondolieres auszugleichen (daher ja auch die Angaben dazu schon beim Bau wichtig).

Bildnachweis ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_LC0609-014 / CC BY-SA 4.0
Die Geschichte der Farbe Schwarz der Gondeln
Das bis zu 600 kg schwere Boot darf nach einem Gesetz nur schwarz gestrichen werden. Im 16. Jahrhundert wetteiferten die Familien in Venedig in der Pracht der äußeren Gestaltung ihrer Boote. Dem wurde gesetzlich ein Riegel vorgeschoben und nur bei der Innengestaltung konnten sie sich noch weiterhin entfalten. Übrigens, die Trauerfarbe ist Venedig rot.

Bildnachweis: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Wehrli, Leo / Dia_247-05837 / CC BY-SA 4.0
Der Bootsschnabel
Etwas Besonders ist der „ferro“. „ferro“ ist das italienische Wort für Eisen und doch besteht der „ferro“ der venezianischen Gondel aus Stahl. Die am Bug befestigten sechs nach vorne gerichteten Zacken sollen die sechs Stadtteile Venedigs, die „sestieri“, symbolisieren. Der nach hinten zeigende eigenwillige Spitz stellt die „Guidecca“ dar, eine kleine langgezogene Inselgruppe im Süden der Stadt Venedig und das großen Stahlteil gestanzte Halbrund ist die Rialto-Brücke.
Weblinks
www.tramontingondole.it eine weitere Gondelwerft
www.dds-online.de/…/700-jahre-handwerkskunst/ Besuch bei Franco Furlanetto in Venedig, einem der letzten »Remeri«, einem Meister seines Fachs, der die Fórcola herstellt
www.catalogo.beniculturali.it über den Denkmalschutz der „Squero San Trovaso“